Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Grüne Bremen 26.09.2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 5.2 Leitantrag "Grüne Perspektive auf die Lage im Nahen Osten" |
Antragsteller*in: | Landesvorstand (dort beschlossen am: 11.09.2025) |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 11.09.2025, 18:36 |
LA1: Solidarität und Sicherheit auf Basis des Völkerrechts: Für Frieden in Israel und Gaza
Antragstext
Die Terrorangriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 waren eine – für die
israelische Bevölkerung - schmerzhafte und retraumatisierende Zäsur. An diesem
Tag wurden 1200 israelische Zivilist*innen ermordet und über 250 Menschen als
Geiseln in den Gazastreifen entführt. Eines muss klar benannt werden: es ist die
Agenda der Hamas und ihrer Verbündeten, den Staat Israel und das jüdische Leben
in der Region auszulöschen. Das Existenzrecht Israels, das Recht auf
Selbstverteidigung sowie der Schutz jüdischen Lebens sind für uns nicht
verhandelbar. Aufgrund der deutschen Geschichte und der Verbrechen des Holocaust
tragen wir eine besondere Verantwortung, die dauerhafte Sicherheit Israels und
seiner Bürger*innen zu gewährleisten.
Nach dem Massaker vom 7. Oktober reagierte die israelische Regierung mit einer
militärischen Offensive, die das Ziel verfolgte, die Hamas dauerhaft zu
entwaffnen. Angesichts der Zerstörung und der humanitären Lage im Gazastreifen
bietet sich inzwischen ein verheerendes Bild. Während sich die Anzahl der Opfer
derzeit kaum überprüfen lässt, gehen die Vereinten Nationen von über 60.000
Toten und mehr als 160.000 Verwundeten aus, davon über die Hälfte unter
vulnerablen Gruppen wie Kindern, Frauen und alten Menschen.[1]
Das Leid der Zivilbevölkerung, die hohen Opferzahlen und das Ausmaß der
Zerstörung der kritischen Infrastruktur in Gaza sind erschütternd. Militärische
Offensiven in verschiedenen Regionen Gazas haben 90 Prozent der Bevölkerung zu
Binnenvertriebenen gemacht und die zivile Infrastruktur, darunter Krankenhäuser,
Schulen und Hochschulen, zum Zusammenbruch gebracht. Neben der fehlenden
medizinischen Versorgung beraubt dies insbesondere eine junge Generation in Gaza
ihrer Bildungs- und Zukunftschancen. Mitschuld an dieser Tragödie trägt die
Hamas, die seit Jahrzehnten gezielt die Grenzen zwischen militärischer und
ziviler Infrastruktur verwischt, um die Menschen vor Ort als Schutzschilde zu
missbrauchen. Ein Vorgehen, das eindeutig gegen das humanitäre Völkerrecht
verstößt und das wir strikt verurteilen.
Nach einigen Wochen der Waffenruhe zu Beginn des Jahres 2025 führte die
Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im März den Krieg im
Gazastreifen fort und verhängte zeitgleich eine Blockade über die Lieferung
humanitärer Hilfsgüter nach Gaza. Die folgende Hungersnot betrifft
Hunderttausende Menschen. 132.000 Kinder sind aufgrund akuter Mangelernährung
vom Tod bedroht.[2] In mehreren Anordnungen und Gutachten hat der Internationale
Gerichtshof (IGH) die Dringlichkeit des Schutzes der Zivilgesellschaft betont.
Das undifferenzierte Vorgehen gegen die Bevölkerung in Gaza verurteilen wir
nachdrücklich. Angesichts des Ausmaßes der Zerstörung in Gaza und der gezielten
Blockade humanitärer Hilfe muss die Verhältnismäßigkeit der israelischen
Selbstverteidigung im Rahmen des humanitären Völkerrechts mittlerweile in
Zweifel gezogen werden.
Treibende Kraft hinter der humanitären Blockade und der Fortsetzung des Kriegs
sind die Rechtsextremisten in der israelischen Regierung. Durch Netanjahus
innenpolitische Motivation, insbesondere den Willen zum persönlichen
Machterhalt, haben sie weit mehr politisches Gewicht, als ihnen mit Blick auf
ihre Größe in der Knesset zukommen würde. Vertreter dieser Parteien, wie die
Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, haben sich in der Vergangenheit
wiederholt menschenfeindlich über Palästinenser*innen geäußert und eine
dezidiert antiarabische Vision eines „Großisrael“ propagiert, die auch eine
Annexion des Westjordanlandes einschließt.[3] Eine weitere Ausbreitung jüdischer
Siedlungen würde eine Befriedung der Region im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung
endgültig unmöglich machen. Die kürzlich von der Netanjahu-Regierung auf den Weg
gebrachten Beschlüsse, um neue Siedlungen im Westjordanland zu schaffen,
verdeutlichen, dass die amtierende Regierung aktiv gegen eine Zwei-Staaten-
Lösung arbeitet.
Mit der Fortführung des Krieges in Gaza agiert die Regierung um Netanjahu auch
gegen die wachsende Kritik aus den Reihen des eigenen Militärs[4] und der
Opposition, sowie gegen einen großen Teil der Zivilgesellschaft, der zu
Zehntausenden gegen den Krieg demonstriert,[5] und gegen die Familien der
entführten Geiseln. Diese engagieren sich für ein Ende des Krieges im
Gazastreifen und die sichere Rückkehr der noch in Gefangenschaft befindlichen
Personen[6], zu denen auch mehrere deutsche Staatsbürger gehören.[7]
Deutschland muss sich in dieser Situation und vor dem Hintergrund seiner
historischen Verantwortung klar positionieren: solidarisch mit der
Zivilgesellschaft vor Ort, für die Sicherheit Israels und im Einklang mit einer
regelbasierten Weltordnung. Wir respektieren die Entscheidungen des
Internationalen Strafgerichtshofs und seine Rolle bei der Durchsetzung des
Völkerrechts. Das Handeln der Netanyahu Regierung hat Israel diplomatisch und
international isoliert und damit in existenzielle Gefahr gebracht. Deutschland
sollte der amtierenden israelischen Regierung im Interesse der langfristigen
Sicherheit Israels im direkten diplomatischen Austausch deutliche Kritik äußern
und sich entsprechend eng mit unseren europäischen und internationalen Partnern
abstimmen. So hat Annalena Baerbock als Außenministerin bereits Anfang 2024 in
Gesprächen in Jerusalem den Einsatz von Hunger scharf verurteilt.[8]
Die Ziele sind in erster Linie die Freilassung der Geiseln, Verbesserung der
humanitären Versorgung der Menschen in Gaza und eine Reduzierung der
israelischen Militäroperationen sowie ein dauerhafter Waffenstillstand.
Gleichzeitig müssen personenbezogene Sanktionen (z. B. gegen die Minister Ben-
Gvir und Smotrich) auf den Weg gebracht werden, um zu signalisieren, dass ihre
menschenfeindliche Politik und Rhetorik gegenüber der palästinensischen
Bevölkerung nicht geduldet wird. Auch die Aussetzung einzelner Kapitel des EU-
Assoziierungsabkommens sollte geprüft werden. Deutschland sollte alle
Anstrengungen unterstützen und vorantreiben, eine von den arabischen Staaten und
der Palästinensische Befreiungsorganisation getragene Nachkriegsordnung in Gaza
zu realisieren. Dabei darf keine Einigung mitgetragen werden, die die
Terrororganisation Hamas irgendeine politische Rolle zugesteht. Das würde das
Leben der Menschen in der Region zukünftig erneut gefährden und die Sicherheit
Israels dauerhaft bedrohen.
Friedrich Merz hat angekündigt, dass Deutschland keine Rüstungsgüter mehr nach
Israel liefern wird, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten. Während
diese Entscheidung nachvollziehbare Gründe hat und im Grundsatz von uns
unterstützt wird, bleibt eine trennscharfe Abgrenzung der Rüstungsgüter
schwierig und muss im Kontext der Bedrohung Israels durch eine Vielzahl an
Akteuren in der Region und der Bedeutung der Verteidigungsfähigkeit abgewogen
werden. Diese Akteure umfassen neben der Hamas auch den Iran, die Hisbollah im
Libanon und Syrien sowie die Huthi im Jemen. Die Verteidigungsfähigkeit Israels
darf von einer Einschränkung der Waffenlieferungen nicht beeinträchtigt werden.
In den vergangenen Monaten haben mehrere Staaten angekündigt, einen
palästinensischen Staat anerkennen zu wollen, einige haben diesen Schritt
bereits vollzogen. Solange die Hamas die politische Führung in Gaza innehat,
lehnen wir diese Anerkennung ab. Klar ist, dass es einen geordneten Prozess zur
unabhängigen und friedlichen Verwaltung der palästinensischen Gebiete braucht,
in dessen Rahmen eine Anerkennung möglich wird.
Als Bündnis90/Die Grünen Bremen treten wir für eine friedliche und gerechte
Lösung im Nahostkonflikt ein. Die Erklärung von New York, die auch von mehreren
arabischen Staaten unterstützt wird, zeichnet die notwendigen Schritte in diese
Richtung vor. Dringend erforderlich sind: ein sofortiger Waffenstillstand, die
Freilassung aller Geiseln, ein dauerhaft uneingeschränkter Zugang für humanitäre
Hilfe, die Entwaffnung und Entmachtung der Hamas, der Wiederaufbau ziviler
Infrastruktur sowie die Rückkehr zu ernsthaften Friedensgesprächen mit dem Ziel
einer Zwei-Staaten-Lösung.
Der Verlauf des Krieges und seine Folgen für Gaza und Israel bewegen sehr viele
Menschen in unserem Bundesland. In Bremen und Bremerhaven leben zahlreiche
Menschen, die persönliche Beziehungen in die Region haben und direkt von den
Kriegsfolgen betroffen sind. Meinungsäußerungen und Demonstrationen, die auf das
Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung aufmerksam machen, finden ihre
Grenze dort, wo es zu Antisemitismus und Gewalt kommt. Jüdinnen und Juden sollen
im Land Bremen sicher leben können. Diskriminierung von Jüdinnen und Juden
stellen wir uns ebenso wie antiisraelischem Antisemitismus entschieden entgegen.
Im Rahmen der Möglichkeiten unseres Bundeslandes und seiner beiden Kommunen
Bremen und Bremerhaven wollen wir:
Begründung
Erfolgt mündlich auf der Landesmitgliederversammlung
Unterstützer*innen
- Kirsten Kappert-Gonther (KV Bremen-Nordost)
- Henrike Müller (KV Bremen Links der Weser)
- Emanuel Herold (KV Bremen Links der Weser)
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